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Wie Windows 11 auch Late-Adopter enttäuscht

„Ein vermutlich ganz neues Team an Entwicklern muss nun Features neu implementieren, von denen es selbst keine Ahnung hat, dass es sie mal gab – man scheint jedenfalls mit den ‚Senior-Devs‘ nicht wirklich viel gesprochen zu haben, genausowenig wie mit Power-Usern.“

Was Technik angeht, bin ich ja jemand, der gerne ausprobiert, experimentiert und erforscht. Das heißt nicht unbedingt, dass ich mich als Early Adopter bezeichnen würde: größere Neuerungen, gerade Betriebssysteme oder Hardware-Architekturen, muss ich nicht sofort haben, nur weil sie neu sind. Ausprobiert werden sie bei mir dennoch, aber in sicheren „Sandboxen“: Als VM, auf echter Hardware mit einem Image-Backup des vorigen Systems in der Hinterhand, oder einfach auf einem separaten Testsystem. Und da dauert es dann meistens keine 10 Minuten und ich finde die ersten Klopper, wenn es welche gibt. Bei Windows 11 musste ich nicht lange suchen, Beispiel gefällig?

Bittesehr, schaut euch die Taskleiste an:

Taskleistenanimation: Statischer Fenstertitel
Taskleistenanimation: Fenstertitel nach Verlängerung abgeschnitten

Paint setzt den Fenstertitel direkt beim Erstellen des Fensters („Unbenannt – Paint“) – hier klappt alles. Der neue Editor jedoch (und das machen viele, viele Programme so, Firefox gehört auch dazu) setzt nach Erstellen des Fensters den Fenstertitel nochmals, hier von „Editor“ auf „Unbenannt – Editor“.

Die Länge der Task-Schaltfläche wird aber nur beim Start einmal berechnet und „verlängert“ sich dann nicht mehr. Das ist doch absoluter Pfusch, oder?

Aber – der Reihe nach.

Tatsächlich gehöre ich vermutlich also sogar eher zu den „Late Adoptern“: bei Hardware muss bei mir erst dann etwas Neues her, wenn das Alte die Anforderungen nicht mehr erfüllen kann – sei es Smartphone oder der klassische PC. Bei Software setze ich gerne auf abgehangene, gut getestete Entwicklungszweige als auf Rolling Releases – was nicht heißt, dass ich nicht neueste Distributionen gerne teste, aber mein „Haupt-Linux“ wird immer eine LTS-Version sein.

Es mag an meinem Beruf liegen, aber für mich ist Technik genau dann gut, wenn sie funktioniert und das vor allem zuverlässig, betriebssicher und lange. Wenig fasziniert mich so, wie alte, gut durchdachte und bei guter Wartung auch nach Dekaden noch funktionierende Technik.

„Late Adopting“ kann manchmal viel Frust sparen

Um bei Betriebssystemen zu bleiben: wichtig ist mir, dass bestehende Workflows nicht ohne Not „brechen“ und dass es in der Software keine neuen Automatismen oder geänderte Verhaltensweisen gibt, die potentiell mit meinen Daten irgendetwas tun, was ich nicht kontrollieren kann, oder bei denen ich einfach nicht weiß, was passiert. Ich versuche also immer zunächst, das Verhalten neuer Software- oder Betriebssystemversionen zu erforschen und zu verstehen. Gelingt das und bringt mir die neue Version einen gewissen Benefit, steige ich aber gerne um – mit dem Nebeneffekt, dass ich dann vielleicht auch gleich die „x.1“-Version habe, die die ersten Kinderkrankheiten der neuen Hauptversion ausbügelt.

So habe ich es auch in meiner eigenen „Windows-Historie“ immer gehalten. Wo es mir sinnvoll schien, bin ich umgestiegen – und hey, ich habe sogar dem vielgescholtenen Windows ME eine Chance gegeben und es – da es für mich ausnehmend gut funktioniert hat und gegenüber Windows 98 damals durchaus Vorteile hatte – jahrelang genutzt! ?

  • Windows 95 war das erste Windows mit einem „echten“ Desktop, einer Taskleiste, einem Startmenü, Verknüpfungen, langen Dateinamen usw. – es bildete jahrelang immer noch den Maßstab für alles, was danach kam
  • Die Installation des „Windows Desktop Update“ mit Internet Explorer 4 unter Windows 95, von vielen damals wegen des Ressourcenverbrauchs kritisch beäugt, war für mich absolut zukunftsweisend und führte dazu, dass ich Windows 98 (was eigentlich nicht viel mehr war als ein Windows 95 mit vorinstalliertem IE4 und später IE5) komplett übersprungen habe
  • Das verpönte Windows ME hatte später einen entscheidenden Vorteil, der heute gerne vergessen wird: es war das erste Windows, das „out of the box“ einen universellen Treiber für USB-Massenspeichergeräte drin hatte. Da dies die Zeit der aufkommenden USB-Sticks war, passte das wie die Faust aufs Auge. Bei Windows 98 musste man nämlich noch den jeweils passenden Treiber von der mitgelieferten CD (meist im Mini-Format, erinnert sich noch jemand?) installieren. Von Microsoft selbst gab es nie ein offizielles Update mit einem universellen USB-Mass-Storage-Treiber, erst später, als Windows 98 für die Retro-Community interessant wurde, verbreitete sich ein solcher auf diversen Kanälen.
  • Danach kam bei mir nach einer längeren Testphase, die mich vollends überzeugt hat, das damals wegen der „bonbonartigen“ Optik ebenfalls unter Nerds eher belächelte Windows XP auf den Rechner und blieb dort dann für satte 15 Jahre. Denn XP war der große Wurf von Microsoft: ein „rock-solid“ OS mit echtem NT-Kernel, den so schnell nichts aus der Ruhe brachte, und das für Consumer! Auch auf meinem damals eigentlich mit Windows ME ausgelieferten Rechner vollkommen problemlos lauffähig, und plötzlich spielte man bei „den Großen“ mit: NTFS-Dateisystem, professionelles Networking, Benutzerrechte und alles, was dazugehört. Und ich war von Anfang an mit der neuen Oberfläche fein (natürlich auf „Silver“ und später dann im schwarz-orangenen „Zune“-Design). Nein, ich gehörte nicht zu den eingefleischten Windows-95/-2000-Ästheten, die Windows XP all die Jahre im „Windows klassisch“-Design betrieben…
  • Als Windows 7 kam, musste sowieso gerade ein neuer Rechner her und ich war sofort damit zufrieden. Man konnte gewisse Dinge so einstellen, dass das Verhalten die bisherigen Workflows gut abgebildet hat und vieles war besser, schneller, schöner. Die Gruppierung auf der Taskleiste konnte abgeschaltet werden und diese auf „kleine Symbole“ gestellt werden – perfekt. Nebeneffekt der neuen Taskleiste war, dass man per Mittelklick auf eine Fensterschaltfläche z.B. ein neues Explorer-Fenster aufmachen konnte – absoluter Zeitsparer!
  • Als Windows 10 kam, hat es auch hier nicht lang gedauert: ich glaube, bereits 2016 war ich überzeugter Windows-10-Nutzer und habe Windows 7 sehr schnell den Rücken gekehrt – anders als viele andere eingefleischte Windows-Nerds. Die kantige, geradlinige, minimalistische und farblich reduzierte Oberfläche von Windows 10 ist in meinen Augen immer noch so ziemlich das schönste, was Microsoft in Sachen GUI-Design je hinbekommen hat.

Dass ich hier Windows Vista und Windows 8 geflissentlich übersprungen habe, bedeutet nun aber nicht, dass ich diese Systeme nicht zumindest probiert hätte. Ergebnis… brauchen wir nicht drüber reden.

Es gab in den 90-er-Jahren mal ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Windows 95: gesehen, gelacht, gelöscht“, getragen meist von Hardcore-DOS- oder Linux-Fans in ihren Informatik-Fachschaften…

Um mir nun ein Urteil zu Windows 11 zu bilden und herauszufinden, ob es (wie schon Windows Vista und Windows 8) einer Neuauflage dieses Shirts würdig wäre, musste es also früher oder später auch mal auf einem meiner Systeme dran glauben. Und so habe ich es – tatsächlich auf meinem Haupt-PC, natürlich mit Image der vorigen Installation – installiert und für ein paar Wochen wirklich produktiv genutzt.

Nach allem, was ich vorher bei kurzem Antesten auf anderen PCs von Windows 11 gesehen hatte, war die neue Oberfläche für mich alles andere als erstrebenswert und auch nicht ästhetisch. Die runden Fenster, die knalligen Farben, die neue bunte Icon-Designsprache – all das spricht mich nicht an. Dass ich so lange gewartet habe, liegt aber auch daran, dass ich Microsoft die Chance geben wollte, nachzubessern, was in den ersten Versionen lauthals kritisiert wurde: vor allem dass man das Startmenü wieder nach links packen und die Fenster in der Taskleiste wieder entgruppieren kann. Das ist ja nun jetzt wieder der Fall.

Windows 11 im Nerdkompatibilitäts-Test

Zunächst mal: es ist nicht alles schlecht, das meiste ist ja auch gar nicht so anders. Mit den richtigen Registry-Tricks bekommt man vieles auch wieder so hin, wie man es als Power-User gewohnt ist und braucht.

Was ich geändert habe:
(Nutzung der .reg-Dateien auf eigene Gefahr)

  • Startmenü / Taskleiste auf linksbündig eingestellt
  • Das klassische Notepad (notepad.exe) wieder mit Textdateien verknüpft (.reg-Datei / .reg-Datei für Undo) anstelle des neuen WindowsAppSDK-basierten, zwar nicht schlecht gemachten, aber prinzipbedingt langsameren Notepad. Ohne den Registry-Hack geht’s übrigens nicht, die Shell erlaubt das Verknüpfen mit notepad.exe sonst nicht und außerdem leitet ein Aufruf von notepad.exe immer auf die neue App um. No-Go im neuen Notepad war für mich übrigens vor allem das nicht abschaltbare Smooth-Scrolling, das bei mir zu Unwohlsein führt. Bei mir muss eine Raste des Mausrads „hart“ um 3 Zeilen scrollen ohne irgendwelche Animationen.
  • Das furchtbar sinnlose, funktional beschnittene neue Explorer-Kontextmenü abgeschaltet und durch das klassische Kontextmenü ersetzt, das man ansosten nur durch Gedrückthalten von Shift oder durch Klick auf „Mehr Optionen“ im Kontextmenü erhält (.reg-Datei / .reg-Datei für Undo)
  • … und diverse weitere GUI-Anpassungen, für die man glücklicherweise keine Registry-Hacks braucht (z.B. den „kompakten Ansichtsmodus“ im Explorer).

Es gibt dann nur noch leichte Unterschiede in der Optik der Shell, die mehr oder weniger Geschmackssache sind, und an die man sich gewöhnen kann.

Einige Dinge aber gibt es, an die ich mich nicht gewöhnen werde, kann oder will, und die für mich auch den Ausschlag geben, Windows 11 vorerst nicht weiter zu benutzen, bis diese gefixt sind. Hauptsächlich geht’s wirklich um die Taskleiste.

Die Taskleiste: hier liegt der Hund begraben

Diese wurde von Grund auf neu entwickelt, so wie es aussieht ohne jemals den alten Code angeschaut zu haben. Wo wir wieder beim Thema Revolution oder Evolution sind. Denn das Verhalten der Taskleiste wurde in den letzten Versionen von Windows seit Windows 95 eigentlich stetig verbessert:

  • Was immer schon ging (seit Windows 95): die Taskleiste lässt sich vergrößern und verkleinern und an alle 4 Bildschirmränder ziehen
  • Ebenfalls von Anfang an dabei war das Feature, ein Objekt auf die Taskleisten-Schaltfläche eines gerade nicht sichtbaren (z.B. verdeckten oder minimierten) Fensters zu ziehen, dort kurz zu verweilen, woraufhin das Fenster automatisch in den Vordergrund geholt wird, und das Objekt dann in dem gewünschten Fenster abzulegen
  • Seit Windows 95C bzw. Windows 95 mit installiertem Internet Explorer 4 mit „Windows Desktop Update“ kann man durch Klick auf die Schaltfläche des aktiven Fensters in der Taskleiste dieses minimieren, und so quasi „togglen“, ob ein Fenster sichtbar sein soll oder nicht
  • Ebenfalls seit dieser Zeit gibt es die Möglichkeit, Schnellstartverknüpfungen in einem eigenen Symbolleistenbereich zur Taskleiste hinzuzufügen
  • Seit Windows XP gibt es die Möglichkeit der Gruppierung von gleichartigen Fenstern – immer aber mit der Möglichkeit, dies auch abzuschalten
  • Seit Windows 7 ist es möglich, durch Mittelklick auf ein offenes Fenster in der Taskleiste ein zweites gleichartiges Fenster (z.B. Windows-Explorer) zu öffnen

Und all das wurde nun über den Haufen geschmissen und ein vermutlich ganz neues Team an Entwicklern muss nun Features neu implementieren, von denen es selbst keine Ahnung hat, dass es sie mal gab – man scheint jedenfalls mit den „Senior-Devs“ nicht wirklich viel gesprochen zu haben, genausowenig wie mit Power-Usern.

Leider gibt es daher folgende Bugs bzw. fehlenden Funktionen, die für mich No-Gos darstellen:

  • Die Taskleiste lässt sich nicht auf die seit Windows 95 bekannte, ursprüngliche Größe (16×16-Icons) verkleinern. Man muss mit den seit Windows 7 etablierten riesigen Symbolen vorlieb nehmen
  • Das System-Tray kann nicht mehr so eingestellt werden, dass immer alle Symbole angezeigt werden – also auch neu hinzugekommene Symbole neu installierter Programme. Zwar war es schon seit Windows XP so, dass standardmäßig nur die Symbole angezeigt wurden, die man entsprechend konfiguriert hat – alle anderen wurden in ein „Überhangmenü“ mit einem Pfeil-Icon verbannt. Bis Windows 10 jedoch gab es eine Option, dieses Verhalten abzuschalten. Als Entwickler, der Programme testet, die solche Icons anlegen und entfernen, ist es wichtig, dass man immer sieht, ob das Erzeugen eines solchen Tray-Icons nun funktioniert hat oder nicht, oder ob ein entsprechendes Programm noch läuft oder nicht.
  • Immerhin kann seit Windows 11 22H2 die Taskleiste so eingestellt werden, dass die Fenster nicht mehr gruppiert werden und auch die Titel der Fenster angezeigt werden. Dies ist jedoch miserabel implementiert: Die Fensterschaltflächen haben keine einheitliche Größe mehr, sondern werden so breit wie ihr Titel dargestellt – mit einer Maximallänge. Allein das bringt schon optische Unruhe herein. Schlimmer aber: Fenster, die zur Laufzeit ihren Titel verändern, wachsen oder schrumpfen somit unvermittelt, was auch zu potentiellen Fehl-Klicks führen kann. Und des nicht genug: es ist auch noch fehlerhaft implementiert. Verkürzt ein Fenster zur Laufzeit seinen Titel, schrumpft die Schaltfläche. Verlängert es den Titel, wird die Schaltfläche aber nicht mehr länger. Der Text erscheint abgeschnitten. Besonders blöd ist das bei Programmen, die ihren Fenstertitel erst einige Millisekunden nach dem Start setzen, weil sie z.B. ein Default-Dokument nachladen o.ä. – hier wird u.U. gar kein Titel angezeigt, weil beim Erstellen des Fensters dieser kurzzeitig leer war. Die Illustrationen zu Beginn des Artikels verdeutlichen das Problem.
  • Drag-and-Drop auf die Taskleiste – also auch der Mechanismus, um Dokumente zwischen Fenstern, die minimiert sind, auszutauschen – funktioniert nicht mehr, wenn UAC komplett deaktiviert ist. Das liegt daran, dass die Taskleiste das WinAppSDK verwendet, welches Probleme mit Drag&Drop mit erhöhten Benutzerrechten hat. Ich möchte nicht darüber diskutieren, ob es gut ist, UAC zu deaktivieren – es gibt Situationen bzw. Arbeitsumgebungen, wo es nötig ist und unter Windows 10 war ein Arbeiten damit problemlos möglich, auch mit allen Interaktionen auf der Taskleiste.
  • Die Lautstärkeregelung zeigt keinen numerischen Wert mehr an und der ganze „Infobereich“ rechts unten wirkt optisch unaufgeräumt.

Es ist nicht alles schlecht

An alles andere, auch das viel schlechtere Startmenü (hey, die Kacheln von Windows 10 fand ich echt nicht schlecht, konnten durchaus informativ sein!), der aufgeblasene Explorer, die bunten Icons, die etwas komisch abgerundeten Titelleisten usw. sind Dinge, mit denen ich leben kann und an die ich mich sogar gewöhnen könnte. Es gibt sogar einen Punkt, den ich bei Windows 11 schöner finde: die neuen Fenster-Minimier/-Maximier-Animationen find ich sehr gut gelungen und viel dynamischer als bei Windows 10. Und die farbliche Hinterlegung der Desktop-Icons bei Mouse-Over (nur heller, statt ins Bläuliche verfärbt) ist auch schöner geworden.

Und immer wieder: die Taskleiste – ohne sie ist alles nichts

Aber die furchtbare Implementierung der Taskleiste ist es, die mich wirklich absolut davon abhält, Windows 11 produktiv zu nutzen, jedenfalls, solange Microsoft das nicht fixt. Ich verstehe nicht, wie so ein existentieller, zentraler Teil der Benutzeroberfläche so ohne Not über den Haufen geschmissen und wirklich halbherzig neuimplementiert werden kann, und das ganze dann auch noch durch die Qualitätskontrolle kommen kann. Das Windows App SDK, auf dem die neue Taskleiste beruht, ist – wie der Name schon sagt – der aktuelle Weg, schnell schöne Apps für Windows zu bauen. Das neue Terminal ist ein tolles Beispiel dafür. Aber die Taskleiste ist nun einmal keine App, sondern ein zentraler Bestandteil der Benutzeroberfläche. Die soll bitteschön eine native Win32/Win64-Anwendung bleiben, die schnell und effizient ist – sonst nix.

Ich werde jedenfalls jetzt erstmal wieder umsteigen und Windows 10 so lange nutzen, wie es sicherheitstechnisch irgendwie geht (ich tippe darauf, dass Microsoft wegen der nach wie vor riesigen Verbreitung von Windows 10 bei wirklich kritischen Sachen auch nach Ende 2025 noch Updates herausgeben wird – auch an die Öffentlichkeit. Wegen Verträgen mit Großkunden mit LTSC-Versionen müssen sie diese bis mindestens Ende 2029 ohnehin noch erstellen). Aber ich habe, wie viele andere, ein Auge darauf, ob Microsoft sich irgendwann der Versäumnisse in Windows 11 doch noch annimmt. Dann können wir weiter reden.

Oder – ja, oder es gibt bis dahin doch ein Windows 12, das genau diese Fehler in Angriff nimmt. Dann wäre die Welt wieder in Ordnung: die Regel, dass jede zweite Major-Version von Windows unbenutzbar ist, hätte sich wieder erfüllt. Und für Windows 11 könnte das T-Shirt gedruckt werden: „Windows 11 – gesehen, gelacht, gelöscht“.

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Buchkritik Medien Rezensionen & Reviews

Buchrezension: ZDF TV+Design

Über einen Sender, der meine Kindheit prägte, und über sein Design. Und über ein Buch darüber. Eine sehr persönliche Buchrezension mit ein paar Exkursen.

Dass ich vor einigen Monaten zum ersten Mal Werbung für das Buch „ZDF TV+Design“ in meine Instagram-Timeline gespült bekam, war wieder mal so einer der Fälle, wo man denkt, dass Microtargeting verdammt gut funktioniert und die Algorithmen wirklich gruselig genau wissen, wofür man sich interessiert…

Denn ja, es interessierte mich sehr! Ich, Kind der 80er, in Mainz und in einem ZDF-Mitarbeiter-Haushalt aufgewachsen, empfand mit dem ZDF und insbesondere seiner Ästhetik schon immer eine ganz besondere Verbindung. Ich muss wohl einige Male sehr anerkennende, „Haben-Wollen“ signalisierende Laute von mir gegeben und über das Buch gesprochen haben, und weil ich eine so aufmerksame Frau habe, bekam ich das Buch schließlich zum Geburtstag geschenkt. Wie von Geisterhand allerdings von meinen Eltern (man könnte meinen, meine Frau mag ihre Schwiegereltern sehr, so oft, wie die miteinander reden!) ;-)

Jedenfalls habe ich mich riesig darüber gefreut und natürlich sofort begonnen, das Werk minutiös zu degustieren. Eines direkt vorab: es lohnt sich auf allen Ebenen, ich empfehle das Buch uneingeschränkt und mit großer Freude weiter an alle, die sich für Design und Typographie, für Gebrauchsgrafik und Corporate Identity interessieren und/oder irgendetwas mit dem ZDF und seiner Geschichte verbinden.

„A5/11“

Nun aber zum Buch selbst. Es ist das elfte Buch der von Jens Müller herausgegebenen Reihe „A5“, die sich mit wichtigen Themen und Persönlichkeiten aus der Geschichte des internationalen Grafikdesigns beschäftigt und sich selbst als fortlaufend wachsendes Archiv versteht. Die Reihe, die in Kooperation mit dem Fachbereich Design an der Hochschule Düsseldorf sowie dem Fachbereich Design der Fachhochschule Dortmund entsteht, begann bei Lars Müller Publishers und wird mittlerweile beim Verlag OPTIK BOOKS fortgeführt.

Das Cover von A5/11: ZDF TV+Design (Quelle: OPTIK BOOKS)

Der Band „A5/11: ZDF TV+Design“ ist der erste und einzige aus der Reihe, den ich besitze, deshalb kann ich auf Reihe an sich gar nicht weiter eingehen und betrachte das Buch völlig für sich. Um es vorab zu sagen: ich finde es absolut lohnenswert, hochinteressant, schön gestaltet und mit vielen Beispielen sehr anschaulich.

Was ich beeindruckend fand, war, dass wirklich alle Ären des ZDF-Designs sehr umfassend besprochen und mit Bildern illustriert werden. Ich selbst habe als Kind noch die Ära miterlebt, in der Otl Aichers „ZDF“-Schriftzug in der charakteristischen, abgerundeten Schrift das Design prägte und quasi einziges verbindendes Element war. Insbesondere die späteren „Erweiterungen“ dieses Schriftzuges mit abgerundeten 3D-Flächen in Glas-Optik sind mir prägend in Erinnerung geblieben.

Aber auch das danach folgende ZDF-„Auge“ ist mir immer noch präsent – das Buch enthält auch dessen Entstehungsgeschichte und Erklärung des Designers, sodass ich das Signet erst heute wirklich verstanden habe (16 Bundesländer schieben sich als „Scheiben“ übereinander, formen die Kugel, die für die Weltkugel steht, der äußere Kreis ist das Publikum und der asymmetrisch versetzte Kreis soll als verbindendes Element die Rundfunkwellen symbolisieren) – clever, aber doch recht abstrakt und komplex und nicht unbedingt sofort etwas, bei dem man an „Zweites Deutsches Fernsehen“ denkt.

Deshalb war 2001 ja das neue Signet mit der 2 als Z so treffend, so unverwechselbar und eindeutig, dass es bis heute Bestand hat und hoffentlich auch lange noch bleibt. Ich finde es zeitlos und sehr gelungen.

Meine eigenen Erfahrungen mit dem ZDF-Design

All dies, und eben auch alle Evolutionsschritte dazwischen, stellt das Buch in Text und Bild echt toll dar, natürlich insbesondere für alle, die „dabei“ waren und sich sowieso schon immer dafür interessiert haben (und sich deshalb auch noch lebhaft selbst an die verschiedenen Design-Elemente erinnern). So zum Beispiel auch die Design-Epoche mit den verschiedenen bunten „Farbwelten“ für die verschiedenen Genres, bei dem das Augen-Signet als abstrakt „waberndes“ 3D-Elemnet in den Hintergrund trat und der Schriftzug „Das ZDF“ die Marke repräsentierte. Fand ich damals auch gut. Natürlich war der Schriftzug immer noch in der Otl-Aicher-Schrift gehalten. Übrigens auch etwas, das ich generell sehr zu schätzen weiß: das mutigste Redesign ist immer das, das sich traut, auch an Altem festzuhalten und es selbstbewusst für sich stehen zu lassen.

Und über Jahrzehnte hinweg – bis zur Einführung des heutigen Logos – war das ZDF-Design vor allem durch das Festhalten an dieser charakteristischen Schriftart geprägt. Selbst in dediziert neu gestalteten On-Air-Designs – wie beispielsweise dem heutzutage leider ziemlich in Vergessenheit geratenen „heute“-Design von 1998 und den daran angelehnten Ablegern wie dem Mittagsmagazin und auch dem Sport-Design aus dieser Epoche. Die Sendungstitel waren in – teils grafisch bearbeiteten, z.B. mit „angeschnittenen“ Ecken dargestellten – Typen der Otl-Aicher-Schrift gehalten, während Schrift-Inserts bereits in einer Swiss/Helvetica-ähnlichen Schrift, vor allem im Kursivschnitt, gehalten waren. Dieses Nachrichtendesign von 1998, in grün-blau gehalten, mit der Weltkugel als zentralem Gestaltungsmerkmal, die mit dem Kugel-und-Kreise-Signet als Animationselement spielt, verschiedene Farbakzente für die Sendungen „heute“ (blau), „heute journal“ (orange), „heute mittag“ (gelb) usw. einführt, und eben diese Mischung aus alter Schrift und neuen Elementen nutzt war für mich eine der prägendsten Neuerungen in der deutschen TV-Landschaft der späten 90er-Jahre.

Ich erinnere mich noch genau, wie ich auf die erste Sendung aus der neuen Studio-Deko hingefiebert und diese dann sogar unterwegs – gemeinsam mit meinem Vater war ich auf einem Kurztrip nach Paderborn ins Heinrich-Nixdorf-Museums-Forum – abends im Zimmer unserer Frühstückspension auf dem kleinen, transportablen LCD-Fernseher geschaut habe. (Side Note: diese Dinger waren damals zwar der totale High-Tech und „die Zukunft“, aber halt qualitativ grottenschlecht. Farben konnte man zwar erahnen, aber nur, wenn man sich exakt im richtigen Winkel zum Briefmarkengroßen Display befand… trotzdem war es ein Erlebnis).

Tja, bereits 2001 wurde dieses Design dann im Rahmen des großen ZDF-Logo-Redesigns wieder abgelöst – wenn auch die Studio-Deko in ihrer Struktur erhalten blieb und nur mit neuen Materialien, Grafiken und Folien überklebt wurde und der Tisch umgestaltet wurde – aber es wurde eine ganz neue Farbwelt daraus: warme Holztöne, und dann der wunderbare Kontrast aus dem dunklen Nachrichten-Weltkugel-Blau und dem frischen neuen ZDF-Logo-Orange. Ja, das 2001er-Design war definitiv edel und sehr, sehr schön. Es wurde etwas Gutes mit etwas anderem Guten abgelöst, das ist es, warum mich dieser Designwechsel damals wie heute immer noch nicht kaltlässt.

Das Blau-Orange-Spiel hat dann ja auch immerhin bis 2009 sehr gut funktioniert, und ich habe es von Anfang bis Ende geliebt. Aber – wie gesagt: ich fand von Beginn an, dass es zwar absolut das Richtige, aber nicht per se besser als das Vorgängerdesign war.

Was ich damit vor allem sagen will: das 1998er-heute-Design hat einfach, auch retrospektiv, nie die Aufmerksamkeit und Anerkennung gefunden, die es meiner Meinung nach verdient gehabt hätte. Aufmerksamkeit, die es auch deshalb verdient hat, weil es – meiner Information nach – vollständig „inhouse“ und mit eher kleinem Budget entstanden ist und eben noch mit den althergebrachten Elementen (Kreise-Signet, Rundschrift) arbeitete, diese aber mit Neuem (Farbwelt, Weltkugel) verband und so eine ganz unverwechselbare Designwelt schuf.

Aufmerksamkeit, die es aber deshalb nicht lange bekam, weil eben 2001 etwas kam, das so stimmig und ebenfalls gut war, dass man den Vorgänger schnell vergaß, was ihm aber absolut unrecht tut.

Und, was im Übrigen auch gerne vergessen wird: das Design von 1998 ist deshalb retrospektiv wichtig, weil es einen ganz neuen, orchestralen Nachrichten-Sound im deutschen Fernsehen etablierte, der auf symphonischen Samples basierte (das vorige heute-Signet war 80er-typisch komplett synthie-basiert – was natürlich auch cool war, und die Tagesschau mit ihren synthetischen Bläsern wirkte auch eher bieder). Das neue orchestrale Thema von 1998 ließ mir damals auch ziemlich die Kinnlade runterklappen, kannte man so etwas doch bisher eigentlich nur aus dem amerikanischen Fernsehen.

Erwähnenswert ist das auch deshalb, weil das Design von 2001 die Melodien und Themes nahezu vollständig übernahm, sie nur nochmals – zeittypisch – mit etwas mehr „Wumms“ versah. Bis auf eine Ausnahme: das „heute journal“-Thema wurde komplett ersetzt, sodass man sagen kann, dass die 1998er-Variante die letzte war, die die ikonische Journal-Melodie beinhaltete (daaa – di – daaa, da da da daaaa, ihr wisst schon…). Die Version von 2001 führte für das Journal ein neues Thema ein, das – wiederum – ebenfalls hervorragend und episch war, sodass auch hier gesagt werden kann: etwas sehr sehr Gutes wurde durch etwas anderes, sehr sehr Gutes ersetzt. Im Nachhinein kann man sagen: passt schon. Das erste Gute hätte nur vielleicht ein paar Jahre mehr auf dem Sender verdient gehabt…

Ich merke gerade, dass meine Rezension zum Buch eigentlich gerade selbst zur Designkritik des ZDF-Designs und insbesondere zur Schwärmerei für die „heute“-Ära 1998-2001 wird, aber das musste gerade sein, und Kritik an einem Designbuch und Kritik am Design, das es behandelt, geht wohl manchmal nur Hand in Hand. Wie bin ich überhaupt darauf gekommen? Ach ja, ich wollte hervorheben, dass Aichers Schrift selbst im Jahr 1998, ja im Grunde bis 2001, noch eine zentrale Rolle spielte. Wer sich im Übrigen intensiver für Otl Aichers Einfluss und seinen ursprünglichen Entwurf und dessen Präsentation interessiert, dem sei dieser – reich bebilderte – Artikel wärmstens ans Herz gelegt, der ebenfalls vom Herausgeber des Buches stammt.

Also weiter im Text: Es werden in Müllers Buch natürlich auch die neuesten Entwicklungsschritte, also auch auch das Redesign im virtuellen Nachrichtenstudio (2021) und die Einführung der neuen, an die Helvetica angelehnten, Hausschrift thematisiert.

Und wieder zum ZDF-Design selbst: Das mit der neuen Hausschrift – ein Schritt, den ich zwiegespalten sehe. Das neue News-Design gefällt mir, keine Frage, aber die Abkehr von Helvetica ist für mich immer ein Abschied mit weinendem Auge. Ich will nicht sagen, dass die Helvetica das Non-Plus-Ultra für alle Anwendungen ist, aber wenn ein Design einmal mit der Helvetica funktioniert, dann gibt es wenig, was über diesen „Peak Typography“ hinauswachsen kann. Daher ist das Beste, was ich der neuen Schrift abgewinnen kann, dass sie nur behutsam vom Helvetica-Look weggeht und natürlich die praktischen Vorteile einer Uniwidth-Schrift sowie eine optimierte Lesbarkeit (I vs. l usw.) besitzt. Aber leider ist genau der letzte Punkt auch der, der mich furchtbar an der neuen Schrift stört.

Denn es gibt nichts, was ich fürchterlicher finde, als serifenlose Schriften, die dann aber bei der „I“-Versalie doch Serifen haben. Das finde ich irgendwie… nicht richtig.

Nun ja, aber auch daran gewöhnt man sich auch, wie auch an die Tatsache, dass die Schrift in verschiedenen Schnitten mal den Bogen am kleinen „l“ hat und mal nicht.

Aber zurück zum Buch: all das wird wirklich schön dargestellt, nachgezeichnet und illustriert. Die grafische Gestaltung und die Produktion mit Poster-Umschlag wirken wertig. Die Interviews mit Zeitzeug*innen sind hochinteressant.

Es wird sogar ein kleiner Exkurs zum 3sat-Design gemacht, mit dem man an sich schon ein Buch füllen könnte (was auch so angemerkt wird – das lässt hoffen). Das 3sat-Design hat nämlich auch einige wirkliche Perlen zu bieten und Geschichten zu erzählen. Ich denke da vor allem an die damals designmäßig revolutionäre Sendung „kulturzeit„, die 1995 meines Erachtens Designmaßstäbe im deutschen Fernsehen setzte und auch, wenn ich mich recht entsinne, eine der ersten, wenn nicht die erste war, die im 16:9-PALplus-Verfahren ausgestrahlt wurde. Aber wie gesagt – das 3sat-Design wäre Stoff für einen eigenen Band

Zum Schluss geht das Buch noch auf die verschiedenen Designs der ZDF-Spartenkanäle (ZDFinfo, ZDFneo, ZDFtheaterkanal bzw. ZDFkultur) und deren Geschichte ein – ein gelungener Abschluss, der das Buch insgesamt zu einer sehr runden Sache macht.

Lob und Kritik

Bei allem Lob muss ich am Schluss leider aber auch auf zwei Wermutstropfen zu sprechen kommen, die das Buch für mich keineswegs weniger lohnenswert machen, mich aber dennoch gestört haben. Zum einen muss man leider sagen, dass sich in den deutschen Texten ziemlich viele Rechtschreib- und Interpunktionsfehler eingeschlichen haben. Zu viele (und auch teils peinliche wie das „verpöhnte“ mit „h“ auf Seite 98) für meinen Geschmack. Keine Angst, ich bin niemand, der einen Text dafür verteufelt oder verurteilt, aber ich gehöre doch zu denen, die so etwas einfach beim Lesen stört und die sich fragen, ob man nicht mit etwas mehr Sorgfalt den einen oder anderen Fehlerteufel hätte vor dem Druck hätte austreiben können. Das Impressum erwähnt ein Lektorat für die englischsprachigen Texte, das lässt vermuten, dass man für die deutschen Texte auf einen dedizierten Lektor verzichtet hat – schade.

Und der zweite recht grobe Schnitzer, der bei einem Buch, das sich mit Design beschäftigt und von einem Team aus hauptberuflichen Designern und Forschenden zu diesem Thema herausgegeben wird, eigentlich nicht hätte passieren dürfen, ist folgender:

Ja, natürlich ist das nicht die Handel Gothic EF. Das ist Courier New, weil offensichtlich beim Einbetten der Schrift irgendwas schiefgelaufen ist und diese beim Druck dann durch die Courier New substituiert wurde. Etwas, das spätestens im Proof oder Andruck hätte auffallen müssen.

Wie das Beispiel hätte aussehen müssen, zeigt der folgende Ausschnitt aus dem ZDF-Styleguide, hier in der Ausgabe von 2008:

Auch das natürlich kein Weltuntergang, aber ein kleines Detail, das Detailverliebte (und wer, bitteschön, kauft sonst solche Bücher? ;-)) schon stören kann.

Falls irgendjemand von Verlag oder Herausgebenden das hier lesen sollte: bitte nicht als Mäkelei verstehen, ich habe mich über das Buch wirklich sehr gefreut und tue dies immer noch, wann immer ich es aus dem Regal nehme. Ich empfehle das Buch klar und uneingeschränkt weiter (an dieser Stelle übrigens – sicherheitshalber, auch wenn es selbstverständlich ist – der Hinweis: diese Buchrezension wie auch alle anderen Rezensionen in meinem Blog, sei es zu Medien oder Produkten, sind, trotz Namens- oder Markennennung und trotz Verlinkungen keine Werbung, völlig unabhängig aus intrinsischer Motivation entstanden und spiegeln einzig und allein meine persönliche Meinung wider!). Die Kritik, auch die obigen beiden Punkte, sind absolut konstruktiv gedacht – und als Verbesserungsvorschlag, sollte es eine zweite Print-Auflage geben.

Mehr gibt’s dann auch gar nicht mehr hinzuzufügen. Alles weitere muss man selbst lesen, und vor allem, angucken. Sollte man jedenfalls!

Das Buch gibt’s online und im gut sortierten Buchhandel, ihr findet das schon selbst – hier die ISBN: 978-3-9822542-4-1. Viel Freude!

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Medien Rezensionen & Reviews

Kurz-Review: „Der Palast“, ZDF 2022

Erst einmal allen, die das lesen, ein gutes, gesundes, glückliches neues Jahr!

Mit diesem kurzen Artikel möchte ich beginnen (nachdem ich dies früher irgendwo in den verwirrenden Tiefen meines Content-Management-Systems und auch nur seltenst tat), auch hier im Blog, „ganz vorne“, hin und wieder kurze Kritiken zu Medien aller Art, sei es Musik, Filme, Serien, Videos auf den diversen Plattformen, zu posten.

Den Anfang macht, weil aktuell geschaut und noch präsent, die ZDF-Produktion „Der Palast“, die die Geschichte des Berliner Friedrichstadt-Palastes, eingebettet in eine fiktionale Geschichte, erzählen soll. Lief im ZDF Anfang Januar 2022 als Dreiteiler, in der Mediathek ist das Machwerk in Form von sechs jeweils halb so langen Folgen abrufbar.

Ich schreibe hier keine vollständige Kritik, das haben schon andere sehr treffend getan, ich will nur ein paar Aspekte zur Sprache bringen, die mich persönlich ganz besonders gestört haben (die Liste an positiven Dingen ist leider tatsächlich kurz; mir fällt spontan kein Moment ein, an dem ich mich sonderlich gut unterhalten, überrascht, gespannt etc. gefühlt habe – einziger positiver Aspekt ist eigentlich die wirklich gute schauspielerische Leistung von Svenja Jung in ihrer Zwillingsrolle).

Also mache ich es kurz und schmerzlos: Die Produktion war in meinen Augen leider ziemlich erbärmlich, sowohl von Drehbuch und Handlung als auch von der Inszenierung und der Regie her. Nicht nur, dass weder Musik, Kostüme noch Choreografie auch nur im entferntesten an die späten 80er-Jahre erinnerten, es fuhren auch noch Autos herum, die erst ab 1994 gebaut wurden (z.B. ein viel zu neues Audi-Modell A4, intern 8D, als Taxi – sowas ist einfach so leicht vermeidbar, das ist der Job eines Requisiteurs, sowas zu checken); diverse gezeigte IKEA-Möbel gab es auch in Westdeutschland zu dieser Zeit noch nicht; die in einer Szene zu sehende Microsoft-Word-Version gab es ebenfalls erst ab 1991 (eindeutig Word 5.x, erkennbar an der Menüleiste oben und dem blauen Hintergrund; die 1989 aktuelle Version 4.x hatte das Menü noch unten), ganz abgesehen davon, dass der gezeigte PC-Monitor ausgeschaltet war (Power-LED war aus) und der Bildschirminhalt nur „reingeshopt“ wurde – da hätte man wenigstens auch die LED noch grün machen können…

Vom ZDF war man, wenn man z.B. die Ku’damm-Filme kennt, in Sachen „Historien-Doku-Dramedy“ oder wie auch immer man das nennen mag, doch sehr, sehr viel Besseres gewohnt.

Insgesamt meiner Ansicht nach eine ziemlich dahingehunzte Produktion. Man hat den Eindruck, das ZDF wollte einfach „nochmal sowas wie Adlon/KaDeWe“ machen, was quotentechnisch ja offensichtlich irgendwie funktioniert hatte.

Von dem Aspekt, dass die DDR-Geschichte hier vollkommen unzulässig verkürzt und in keinster Weise aufarbeitend dargestellt, sondern lediglich als Vehikel genutzt wurde und keine ernsthafte Beschäftigung seitens der Schaffenden mit dem politischen und gesellschaftlichen Geist der damaligen Zeit erkennbar ist, mal ganz abgesehen.

Schade!

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Roland HP302: Ausgiebiger Testbericht und Eindruck nach einem halben Jahr

Das Roland HP302

Vor einem halben Jahr, im Februar 2011, habe ich mir nach einer sehr langen Entscheidungs- und Auswahlphase ein Roland HP302 Digitalpiano zugelegt. Basierend auf Demoaufnahmen aus dem Internet, Testberichten (die zu dem relativ neuen Instrument aber noch eher rar waren) und zu guter Letzt natürlich auch einem ausgiebigen „Anspielen“ vor Ort im Klaviergeschäft bin ich zu dieser Entscheidung gekommen, nachdem die meisten anderen Klaviere vor allem von der Natürlichkeit des Pianoklangs her nicht mithalten konnten. In der engeren Auswahl waren zum Schluss ohnehin nur noch das Yamaha YDP-161 (nicht schlechter, aber im Vergleich zum Roland dünner Klavierklang, außerdem sehr dürftiger Funktionsumfang) sowie einige Modelle von Kawai, die aber entweder teurer waren oder mir von der Tastatur her nicht so gut gefielen. Doch der Reihe nach.

Ich wollte schon viel früher drüber schreiben, Vorteil der Tatsache, dass ich das Instrument nunmehr schon 6 Monate besitze und benutze, ist allerdings, dass ich jetzt anstelle eines „Ersteindrucks“ oder kurzen Testberichts, wie ihn auch die meisten Musikzeitschriften zu diesem Thema höchstens bringen, einen mehr oder weniger kompletten Erfahrungsbericht liefern kann.

Authentischer Klavierklang größter Pluspunkt

Zunächst einmal will ich mit den großen Vorzügen des Instruments beginnen: Das Wichtigste ist ganz sicher der absolut hervorragende Klavierklang. Dieser rekrutiert sich aus einem Satz exzellenter Piano-Samples, die akustisch in allererster Güte angefertigt wurden, und einer raffinierten Kombination aus Sample-Überblendungen (zur Vermeidung von Sprüngen in der Klangfarbe bei langsam ansteigender Dynamik, d.h. Velocity-Werten), dynamischen Filtern zur Kaschierung von Loopbereichen, Saitenresonanz-Simulation und einiger weiterer Tricks, die Roland insgesamt unter dem vielversprechenden Namen „SuperNATURAL Piano“ zusammenfasst. Auch wenn der Name natürlich ein Marketingbegriff ist, ist er meiner Meinung nach durchaus berechtigt.

Um gleich mit den besonders gelungenen Klangfarben (Voices) weiterzumachen: Das HP302 hat eine ganze Palette fabelhafter Hammond-Orgeln in Petto: In Kombination mit dem variablen Leslie-Effekt ergeben sich hier sehr schöne Spielmöglichkeiten. Auch das Cembalo-Sample gefällt mir sehr gut, mit seinen Note-Off-Samples wird das beim Cembalo deutlich hörbare Abdämpfen der Saite beim Loslassen der Taste sehr schön simuliert. In Kombination mit den einstellbaren historischen Stimmungen (z.B. Kirnberger) kommen hier die Liebhaber Alter Musik voll auf ihre Kosten, und das HP302 macht sich, falls mal kein echtes Cembalo greifbar ist, so auch für die Begleitung einer Continuo-Gruppe sehr gut. Die beiden besten Kirchenorgeln (Others 1 und Others 88) machen ebenfalls einiges her und sind für die Nutzung der historischen Stimmungen genauso prädestiniert.

Etwas dürftig sind dafür die E-Piano-Samples, die allesamt sehr langweilig und dünn klingen – klar, ein authentisches Fender ist nun mal Mono, aber hier hätte ruhig etwas reichlicher mit Chorus, Tremolo, Distortion und so weiter gespielt werden dürfen. Allein das „FM E-Piano“ (E. Piano 3) und das „Vintage EP“ (E. Piano 2) sind noch ganz passabel, aber nichts davon ist auch nur annähernd „funky“, egal bei welcher Key-Touch-Einstellung.

Wett macht diesen kleinen Schönheitsfehler aber neben den schon genannten tollen Hammond-Samples das wirklich sehr funkige Clavinet-Sample, das macht einfach nur Spaß.

Weiteres großes Plus, wenn auch heute bei Instrumenten der Preisklasse fast schon Standard, ist der USB-Host-Port zum Anschluss von USB-Speichermedien (Mass Storage). Auch CD-ROM-Laufwerke (das Abspielen von Audio-CDs ist ebenfalls möglich) und sogar Diskettenlaufwerke können hier angeschlossen werden – falls jemand also noch irgendwelche alten Disketten mit MIDI-Files finden sollte, sei es vom alten Atari ST, einem 90er-Jahre-Yamaha-Keyboard oder einem Standalone-Sequencer, kann er diese mit einem USB-Diskettenlaufwerk (ab 14 Euro z.B. bei Amazon) direkt mit dem HP302 weiterverwenden und wiederbeleben.

USB-Host-Port

Bei Audio-CDs (und WAV-Dateien, die das Gerät ebenfalls abspielt) können sogar die Tonhöhe und das Tempo unabhängig voneinander reguliert werden, was natürlich ab einer bestimmten Abweichung mit den bekannten Artefakten einhergeht. Auch kann die Stereomitte herausgerechnet werden (Voice-Cancellation / Karaoke-Effekt), was ebenfalls natürlich nicht immer gut klingt. Zu beachten ist, dass WAV-Dateien ausschließlich im Format Linear PCM, 44,1 kHz, 16 bit, Stereo vorliegen dürfen. Schon die geringste Abweichung (z.B. Mono statt Stereo) führt beim Abspielen zu einer Fehlermeldung.

Standard-MIDI-Files (.MID) können geladen und gespeichert werden, und es kann frei zwischen dem internen Speicher (max. 99 Songs) und einem externen USB-Speicher kopiert werden.

Roland hat es hier tatsächlich geschafft, auf einem 3-stelligen Sieben-Segment-Display eine vollständige Ordnernavigation mit Unterordnern etc. zu realisieren, die zwar bisweilen etwas fummelig und ganz gewiss gewöhnungsbedürftig ist, aber doch immerhin das wahrscheinlich Beste ist, was man aus einem solch beschränkten Display machen kann.

Es ist wie überall im Leben: wer ein Digitalpiano kaufen möchte, muss sich darüber im Klaren sein, dass es „das perfekte Instrument“ nicht gibt, und so hat auch das Roland HP302 natürlich einige Schwachpunkte.

Der größte Nachteil des Instruments sind die schwachbrüstigen Lautsprecher bzw. Verstärker. Hört man das Gerät im Laden das erste Mal, ist man wahrscheinlich ein wenig enttäuscht von dem quäkigen Bass und den dumpfen Höhen. Hier hat Roland ganz klar massiv gespart. Ein Blick in die technischen Daten verrät denn auch: Lediglich 2×12 Watt stehen hier zur Verfügung, und das hört man deutlich. Die Ingenieure haben versucht, mittels Breitbandlautsprechern und „effizienter Verstärkertechnologie“ (was soviel heißt wie „wir haben solang am Frequenzgang rumgebogen, bis es noch ein bisschen lauter klang“, vergleichbar mit irgendwelchen SRS-WOW-Effekten) noch das beste rauszuholen. Das gelang nicht wirklich. Dafür verbraucht das Instrument, dem ein sparsames Schaltnetzteil beiliegt, bei mittleren Lautstärken lediglich insgesamt um die 8 Watt – das nenne ich sparsam!

Mit Kopfhörern kommt der „Wow-Effekt“

Um es gleich vorwegzunehmen: Das Instrument ist trotzdem jeden Euro wert, und ich habe mich bewusst entschieden, das HP302 zu kaufen, als ich im Laden meinen mitgebrachten, wirklich sehr guten Kopfhörer (Sennheiser HD 580 precision) angeschlossen und aufgesetzt habe. Denn da kommt dann wirklich der Wow-Effekt: Der Klang ist herrlich ausgewogen, und die Bässe beim Klavierklang sind von einer Fülle, wie man sie selten hört bei Digitalpianos.

Da ich wusste, dass ich in meiner Wohnung öfter mit Kopfhörern spielen werde und darüber hinaus auch sehr viel mit dem Instrument „Musik produzieren“, also das Signal über die Line-Ausgänge aufnehmen würde, konnte ich über den Mangel des eingebauten Verstärker-/Lautsprecher-Trakts gut hinwegsehen.

Wer das nicht kann oder möchte, ist mit dem HP305 etwas besser beraten, das exakt die gleichen Features, Samples und Klangerzeugung bietet, jedoch einen doppelt so starken Verstärker mit 4 Lautsprechern sowie eine matte Tastatur („Elfenbeinnachbildung“) hat, dafür aber auch bis zu 500 Euro mehr kostet. Das war es mir persönlich nicht wert, zumal das HP305 ein leicht anderes Gehäuse mit idiotischerweise vorne angebrachten MIDI- und USB-Host-Anschlüssen hat. Beim HP302 ist alles hinten, nur die Kopfhörerausgänge und die USB-Host-Buchse sind an der Unterseite, sodass ein eingesteckter USB-Stick sehr schön verschwindet. Beim HP305 würde dieser ständig nach vorne herausragen, sodass auch dies mir die Entscheidung noch etwas weiter erleichtert hat. Zumal das Lautsprechersystem des HP305 auch nicht um Welten besser ist.

Wer gleich noch viel tiefer in die Tasche greifen will (hier bekommt man dann auch ein wirklich um Welten besseres Lautsprechersystem mit tollem Bassfundament), sollte sich das HP307 anschauen, das aber auch gleich über 1000 Euro teurer ist als das HP302. Es hat eine noch realistischere Tastatur („Progressive Hammer Action III“), ein größeres, grafikfähiges Display und sehr viele Anpassungsmöglichkeiten beim Klavierklang.

Beim HP302 (und HP305) „beschränken“ sich letztere auf die Stärke der Saitenresonanz, Dämpferresonanz, die Stimmung, verschiedene Pedaleinstellungen, Brillanz und natürlich den „Key Touch“, also die Zuordnung zwischen Tastaturanschlag und „Härte“ des produzierten Tons.

Es ist Geschmackssache, aber mir persönlich produziert die Key-Touch-Einstellung „N“ (normal) etwas zu weiche, dumpfe Klaviertöne, und die „nächst-härtere“ Einstellung, „L1“, klingt mir bei etwas forscher angeschlagenen Tönen schon fast ein klein wenig zu hart. Aber wirklich nur ein klitzekleines Bisschen, ich jammere hier wirklich auf hohem Niveau.

Bedienung und Sequencer

Die etwas umständliche Bedienung mit mehrfach belegten Tasten und dem kleinen 3-Ziffern-Display lässt manchmal etwas zu wünschen übrig, ist dafür, was die Bedienschritte angeht, aber wenigstens konsequent. Der Sequencer hat ebenfalls so seine Tücken, am Anfang kam es mehr als einmal vor, dass eine wunderschön gespielte Performance (nur dieses Mal hat’s so gut geklappt!…) einfach nicht aufgenommen wurde, weil ich bei der Bedeutung der Zustände der drei Spurwahltasten (möglich ist für jede Taste der Zustand „Leuchten“, „Blinken“, „Aus“ und gibt an, auf welchen Spuren aufgenommen, welche nur abgespielt und welche stummgeschaltet werden) wohl doch irgendwas verwechselt hatte. Übung macht aber auch hier den Meister.

Der Sequencer funktioniert sehr gut, nimmt immer im Format 0 auf, die drei Spuren „Accomp“, „Left“ und „Right“ sind den MIDI-Kanälen 3, 4 und 5 zugeordnet. Bei vorhandenen MIDI-Files vom USB-Stick erkennt das Gerät in vielen Fällen auch die Zuordnung von linker und rechter Hand, sodass man sehr oft durch „Wegdrücken“ der Spur „Right“ zum Beispiel die rechte Hand stummschalten und selbst dazuspielen kann. Mir scheint, dass hier die Zuordnung sogar etwas intelligenter ist, als einfach nur die MIDI-Kanäle 3, 4 und 5 fest auf die drei Spurwahltasten zu legen, denn es funktioniert bei weitaus mehr MIDI-Dateien, als man denkt. Bei Format-1-Dateien scheint auch die Track-Aufteilung herangezogen zu werden.

Die Zuordnung der Voices in die Kategorien „Piano“, „E. Piano“, „Strings“ und „Others“ ist manchmal ziemlich willkürlich. Besonders die Tatsache, dass sich die meisten interessanteren Voices dann doch unter „Others“, und hier vor allem in den etwas schwer zugänglichen Bereichen jenseits der 150, befinden, ist schade. Mit einem Tastendruck umschalten zwischen ner Leslie-Orgel und nem Synth-Pad? Unmöglich: Erstere ist irgendwo bei Others 7, letzteres irgendwo bei Others 214. Und da „dankenswerterweise“ das schnelle Scrollen beim Gedrückthalten der Plus- oder Minustasten auch bei Erreichen der Schlagzeugregister stoppt (damit man die besser erreichen kann), sind mindestens 3 Tastendrücke a 5, 3 und 15 Sekunden nötig…

Das würde ich aber auch noch unter den Punkt „Bedienung“ verbuchen. Was übrigens alles nicht ins Gewicht fällt, wenn man das Gerät per MIDI fernsteuert und die Einstellungen alle an einem Sequencerprogramm auf dem PC vornimmt und das Piano nur als Eingabeklaviatur und wiederum Ausgabemedium zur Klangerzeugung nutzt.

Ein Blick auf die MIDI-Implementierung

Das funktioniert ganz prima: der USB-MIDI-Port wird unter Windows Me, 2000 und XP sofort als MIDI-Gerät erkannt (USB-Audio-Device-Klasse) und man kann ohne Treiberinstallation sofort loslegen. Da Microsoft ja aus unerfindlichen Gründen bei Windows Vista und 7 den generischen USB-MIDI-Treiber leider entfernt hat, muss man sich unter diesen Betriebssystemen einen Treiber von der Roland-Homepage herunterladen. Für andere Betriebssysteme wie Linux und Mac OS gibt es ebenfalls Treiber, außerdem gibt es einen alternativen USB-Modus, der sich in den Einstellungen des Pianos auswählen lässt und den man wählen sollte, wenn es mit dem generischen Treiber nicht klappt. Da ich keinen Mac habe und auf meinen PCs allesamt Windows XP läuft, habe ich das nicht testen (müssen), denn sofort nach dem Einstecken funktionierte alles, in der Standardeinstellung.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass das Gerät bei Wahl eines neuen Registers zwar Bank Select und Program Change per MIDI ausgibt, jedoch nicht die Controller-Change- und System-Exclusive-Befehle, die es intern an seine Klangerzeugung sendet, um die zu jedem Register gehörigen Effektparameter aufzurufen. Beispiel: Bei den Hammond-Orgeln einen Leslie-Effekt, bei verschiedenen E-Pianos diverse Choruseffekte. Ergebnis ist leider, dass bei der Benutzung des „Local Off“-Modus und Spiel des Instruments über MIDI-Thru des PCs leider diese Effekte alle deaktiviert sind und die Voices daher ziemlich dünn klingen (alle Orgeln und E-Pianos sind ohne Chorus etc. beispielsweise Mono, lediglich die Klavier- und das Cembalo-Sample scheinen mir echte Stereosamples zu sein).

Vorteil ist aber, dass man anhand des wirklich äußerst ausführlichen MIDI Implementation Charts von Roland (Link: http://media.rolandus.com/manuals/HP-302_MI.pdf) selbst Effektparameter an das Instrument senden kann, womit man Effekte erzielen kann, die weit über die fest einprogrammierten und den Instrumenten zugeordneten Effekte hinausgehen. Man kann z.B. bei den Leslie-Effekten die Geschwindigkeiten der einzelnen Lautsprecher, deren Beschleunigungs- und Abbremsdauer und vieles mehr einstellen, bis hin zu komplexen Gated-Reverb-Effekten.

Nettes Gimmick: Twin-Piano-Modus

Ein ungewöhnliches Feature ist der Twin-Piano-Modus, bei dem die Tastatur in der Mitte geteilt wird und man in beiden entstehenden Bereichen wieder ein „mittleres C“ erhält. Interessante Effekte lassen sich erzielen, wenn man in beiden Bereichen gleichzeitig verschiedene Melodien spielt, da beide „Klaviere“ sich an verschiedenen Positionen in der Stereobasis befinden – siehe die beiden entsprechenden Videos am Ende des Artikels.

Der Twin-Piano-Modus kann auch so eingestellt werden, dass die „beiden Klaviere“ vollkommen voneinander getrennt werden und eines nur im ersten, das zweite nur im zweiten Kopfhörer zu hören ist. Da die gesamte Klangerzeugung des Gerätes aber ja nur zweikanalig ist (Stereo), ist klar, was daraus resultiert: Beide Kopfhörer bekommen nur noch ein Monosignal (das wird übrigens ganz hart direkt vor den Kopfhörerbuchsen umgeschaltet, bei Aktivierung dieses Modus hört man auch ein Relais klicken). Da der Hallprozessor aber aus beiden ihm zugeführten Kanälen nur ein Stereo-Raumsignal erzeugt, und man daher immer den „Hall“ des jeweils anderen Klaviers in „seinem“ Kopfhörer mithören würde, haben die Roland-Entwickler den Reverb-Effekt und überhaupt sämtliche Effekte in diesem Modus komplett deaktiviert. Im Klartext macht es also überhaupt keinen Spaß, so zu spielen – komplett trockene Mono-Klaviersamples, da klingt jedes Billig-Keyboard besser (fast)…

Bevor ich die Vor- und Nachteile sowie einige besonders gute und weniger gute Voices nochmal in Form von Stichpunkten aufzähle, möchte ich zum Schluss noch meine Standardeinstellungen für das alltägliche, realistische Klavierspiel aufzählen: Brilliance = 3, Reverb = 8, Key Touch = L1, alles andere auf Standardeinstellung. Überhaupt muss ich abschließend unbedingt nochmals auf den eingangs erwähnten tollen Klavierklang zurückkommen, der allein schon die Anschaffung des Gerätes absolut rechtfertigt. Besonders zusammen mit der Saitenresonanzsimulation, der verblüffend realistischen Halbpedal-Erkennung mit vollen 128 Stufen und der sehr guten Tastatur mit Druckpunktsimulation macht es wirklich Spaß, auf dem Instrument zu spielen. Um so mehr, wenn man gute Kopfhörer hat…

Vorteile:

  • Exzellentes Pianosample mit sehr natürlicher, ausgewogener Wiedergabe
  • Gutes Spielgefühl
  • Sehr realistisches Pedalgefühl mit Halbpedalerkennung
  • Sehr gutes Cembalo-Sample mit Note-Off-Samples
  • Reichhaltige Auswahl an Hammond-Orgeln mit Leslie-Effekt
  • 2 nicht schlechte Kirchenorgeln
  • Historische Stimmungen (rein, Kirnberger, Werckmeister etc.)
  • USB-Hostanschluss
  • USB-MIDI-Anschluss und klassischer MIDI-Anschluss
  • Extrem geringer Stromverbrauch
  • Generiert und liest Standard-MIDI-Files
  • Hervorragend dokumentierte MIDI-Implementierung
  • 3-Spur-Sequencer
  • Twin-Piano-Modus
  • 2 Kopfhöreranschlüsse

Nachteile:

  • Ziemlich schlechtes Lautsprecher-/Verstärkersystem
  • Etwas grobe Einteilung der möglichen Key-Touch-Einstellungen
  • Teilweise gewöhnungsbedürftige Bedienung
  • Eher mäßige E-Piano-Samples

 

Ein paar Kostproben der Möglichkeiten

Im Laufe der Zeit habe ich auch einige Tracks mit dem Instrument aufgenommen, die zwar (bis auf das letzte Video ganz unten) nicht gerade Demo-Charakter für den eigentlichen Klavierklang haben, aber vielleicht einen Eindruck über die Möglichkeiten des Instruments geben. (Wer einfach nur den Klavierklang hören möchte, sollte sich auf der Roland-Homepage die Demos anhören, oder das hier verlinkte YouTube-Video ansehen).

Jetzt aber die Links zu meinen entsprechenden Videos – und damit sage ich auch Tschüss, viel Spaß mit den Videos und ich hoffe, vielleicht dem einen oder der anderen mit diesem Artikel die Entscheidung über das nächste Digitalpiano etwas erleichtert zu haben! (Linkliste aktualisiert am: 21.04.2017)

Viele Grüße
Euer Fabian

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Symphonie in Eee-Dur

Seit einer Woche bin ich jetzt im Besitz eines süßen, kleinen Asus Eee PC 901. Er ist, finde ich, der „schönste“ PC bzw. Laptop, den ich seit langem hatte. Mein alter Hauptrechner, das Arbeitspferd für die tägliche Arbeit, ist von 2000 und hat einiges erlebt (was dank guter Pflege seiner Leistungsbereitschaft natürlich keinen Abbruch tut…). Ihm „verdanke“ ich viel, wenn man das so sagen darf – deswegen konnte ich mich auch bisher nur schwer von ihm trennen. Mein Notebook (Samsung X20, das mir auch rundum gut gefällt) habe ich, trotz der Tatsache, dass es weitaus leiser ist und weniger Strom verbraucht, zu Hause fast nie benutzt.

Um so überraschter bin ich, wenn ich jetzt nach einer Woche mit dem Eee feststelle: Ich hatte meinen guten alten PC seit einer Woche fast überhaupt nicht mehr an!!! Nur ein, zwei mal ganz kurz um etwas zu holen, was ich nur auf seiner Platte gespeichert hatte. Ich hoffe, er ist nicht eifersüchtig…

Der EeePC 901 ist ein wunderbares Gerät, eine sehr schön aufeinander abgestimmte Komposition aus schwarzem Klavierlack und einem matten (!) TFT-Display. Das Gehäuse ist nicht zu klein und nicht zu groß, das Display scharf und extrem hell (wenn man sich nicht auf die vorgegebenen Helligkeitsstufen beschränkt, sondern das Tool EeeCtl verwendet – einfach mal danach suchen!). Mit der Tastatur kommt man nach zwei, drei Tagen super zurecht. Dieser Text ist auf dem Eee getippt (und wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten). Lediglich die Tatsache, dass die F1-Taste nicht die erste Taste neben Escape ist, sondern dass hier zuerst die Zirkumflex-Taste folgt, stört mich immer noch etwas. Nicht nur, dass ich ständig beim Umbennen statt auf F2 auf F1 haue und damit die Hilfe öffne[n würde, wenn ich den Hilfe- und Supportcenter-Dienst von Windows nicht deaktiviert hätte]. Nein, dadurch, dass das Zirkumflex eben nicht links neben der 1 ist, sondern die 1 direkt die erste Taste in der Zahlenreihe, schreibe ich auch regelmäßig statt „23.10.2008“ halt erst mal „34.20.3008“ oder so… Aber das verzeihe ich dem kleinen gerne, denn er ist vor allem eines: leise. Nein, das ist eigentlich falsch. Denn er ist lautlos. Und das wiegt alles auf. Erst nach stundenlanger Arbeit (und die kann mit einer Akkuladung schon mal 8 Stunden dauern) meldet sich der Lüfter extrem dezent zu Wort. Eine Festplatte hat der EeePC 901 im Gegensatz zum 900H oder 1000H nicht – dafür zwei lautlose, erschütterungsunempfindliche und stromsparende Solid-State-Disks. Insgesamt stehen so 12 GB zur Verfügung (das 20GB-Modell mit Linux statt Windows XP gibt es in Deutschland scheinbar nicht). Womit wir bei der Software wären.

Das vorinstallierte Windows XP Home mit SP3 kann man schlicht vergessen. Mit etwas Arbeit könnte man es entschlacken, ok, wer das gerne will soll es tun. Ich habe jedoch als erstes mal mein gutes altes Windows XP Pro mit SP2 installiert – und zwar von einem externen CD-ROM-Laufwerk. Ein internes hat er natürlich nicht. Und von USB-Platte (einfach bootfähig machen und den I386-Ordner von einer Windows-CD draufkopieren) zu installieren, hat den Nachteil, dass man nur in FAT-Partitionen installieren konnte. Daswollte ich nicht, und da ich einen USB-to-IDE-Adapter sowie auch noch ein altes DVD-ROM-Laufwerk im Schrank hatte, habe ich hiervon gebootet und die Installation lief sauber durch. Danach die Treiber (Chipsatz, ACPI, Grafik, Sound [Achtung: Hier muss bei SP2 erst KB888111 von Microsoft installiert werden!], LAN, WLAN, Bluetooth [Nicht der riesige Widcomm-Stack, sondern Microsofts Treiber und Stack tun es auch]) installiert. Nicht von ASUS direkt, nein, die verhunzen alle ihre Treiber mit riesigem InstallShield-Installer, was völlig unnötig ist. Es reichen ja jeweils die INF- und SYS-Dateien. Neue Versionen der Treiber in dieser abgespeckten Fassung bietet k0k0 hier an: http://downloads.k0k0.de. Auch das BIOS-Update auf Version 1603 (bzw. auf die jeweils aktuellste Version), die man hier findet, war natürlich Pflicht. Leider sind die Tools, die dem ACPI-Treiber beiliegen (für die Auflösungseinstellungen und die Tastenleiste, sowie zum Einstellen des Stromsparmodus) nicht die letzten Versionen. Diese habe ich bei www.asustreiber.de gefunden.

Zu guter Letzt kann ich nur das Tool EeeCtl empfehlen, das ich oben schon erwähnt habe. Es ist eigentlich für den EeePC 70x (4G), beim Anwählen eines Speedmodus auf dem 901 friert der Rechner ein. Die Anwahl der Displayhelligkeiten und Lüfterstufen geht aber problemlos. Eine von mir für den EeePC 901 angepasste Version biete ich hier an. In dieser Version habe ich die Geschwindigkeitsstufen ausgegraut, sodass man nicht versehentlich darauf klicken kann. Außerdem habe ich die Helligkeitsstufen auf deutsch übersetzt und ins Hauptmenü (statt Untermenü) aufgenommen. Die Stufe „Hell“ liegt jetzt etwas über der werksmäßig hellsten Stufe. „Sehr hell“ ist das Maximum, was das Backlight hergibt. Die dunkelste Stufe habe ich durch „Off“ ersetzt, was nützlich ist, wenn man im Hellen arbeitet und z.B. auf einen Download wartet – einen Fortschrittsbalken erkennt man so allemal und das Backlight ist ganz aus. (Im Gegensatz dazu wird beim Druck auf die „X“-Taste links oberhalb der Tastatur das Display komplett ausgeschaltet, auch wenn im Handbuch diese Taste mit „Backlight“ beschrieben ist, das ist falsch. Außerdem regelt das Programm den Lüfter in der Auto-Stellung viel feiner als das BIOS und er ist insgesamt noch seltener an, und wenn dann eher etwas früher und langsamer, als erst bei 50°C, aber dann direkt mit 30% Leistung…) Man kann das aber alles über die INI-Datei anpassen.

Nun, ihr seht, ich bin rundum zufrieden mit dem kleinen Ding, das man wirklich immer mit sich führen kann.

Nachdem alles komplett eingerichtet ist (auch Deskwork läuft auf dem Ding sehr gut!) lehne ich mich entspannt zurück. Und genieße, ungetrübt von Lüfterlärm, die Symphonie Nr. 1 in Eee-Dur… ich meine natürlich E-Dur – von Hans Rott…..