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Die ARD schaltet den DVB-S-Hörfunk-Transponder ab …

„Der einzige Fortschritt, den wir noch erreichen können, ist die Erkenntnis, dass wahrer Fortschritt nur in der Abkehr vom Zwang des ewigen Fortschritts liegen kann.“

… und dafür auf zwei „neuen“ DVB-S2-Transponder ihre Radioprogramme im AAC-LC-Codec auf. So weit, so technisch. Und so alt die Nachricht: bekannt ist das mittlerweile schon seit fast einem Jahr, der Probebetrieb der AAC-Sender läuft bereits seit Juni 2021 mehr oder weniger holprig. Nun wird es bald so weit sein: ab dem 14.12.2021 soll auf dem alten Transponder nur noch eine Hinweisschleife zu hören sein, Ende 2021 ist dann komplett Schluss mit Transponder 93.

Ich hab da so ein paar ganz persönliche Gedanken dazu, die ich an dieser Stelle gerne mit euch teilen mag. Hörfunk ist tatsächlich an sich nicht mein Metier, auch beruflich nicht, trotz der Tatsache, dass ich im Broadcast-Bereich tätig bin. So glaube ich, zumindest halbwegs einen Blick „von außen“ darauf zu haben, wenn ich sage, dass ich mit der Entscheidung der ARD doch arge Bauchschmerzen habe.

Grundsätzlich ist gegen den Umstieg auf neue Technik nichts einzuwenden, zumal wenn dadurch (wie es ja heißt) Kosten gespart werden können und eine technische „Zukunftssicherheit“ gewährleistet werden kann. Auf der anderen Seite bin ich ja auch ein ganz großer Fan der Sichtweise, bewährte Verfahren und Techniken nicht ohne Not abzuschalten oder ersetzen zu müssen, wenn diese ihren Zweck tadellos erfüllen. Ja, das Zitat zu Beginn dieses Posts stammt von mir selbst und zwar aus einem Blogbeitrag vom 24. März 2009.

Und genau in diesem Spagat findet sich wohl die ARD bei dieser Aktion wieder. Der alte Transponder war maximal kompatibel: Er war einer der letzten DVB-S-Transponder (nicht DVB-S2) – also auch mit wirklich altem Gerät, wie es zum Beispiel in alten, abbezahlten Kopfstellen von Gemeinschaftsantennenbetreibern seinen Dienst tut, oder auch Ommas altem SD-Satellitenreceiver, problemlos empfangbar. Der Codec war der für alle DVB-Geräte verpflichtend zu unterstützende, millionenfach implementierte und längst patent- und lizenzfrei dekodierbare „MPEG-1 Audio Layer II“-Codec.

Und da muss man jetzt einfach der Wahrheit ins Auge blicken, dass das neue Angebot auf den beiden neuen Transpondern im AAC-Codec nach wie vor mit vielen (selbst neueren) Receivern nicht oder nur in eingeschränkter Qualität nutzbar ist. Selbst wenn die ARD auf dieser Seite und in diversen Social-Media-Posts das Gegenteil behauptet und davon spricht, dass die meisten Geräte sich „schnell und einfach“ updaten ließen.

So klagen einige Hörer selbst bei eigentlich AAC-tauglichen Geräten über gelegentliche Aussetzer, Knackser und ähnliche Phänomene (Stand: November 2021); manche – selbst hochpreisige – Geräte, die noch im Laufe des Jahres 2021 verkauft wurden, sind vollständig inkompatibel zu AAC und lassen sich in einigen Fällen auch nicht updaten. Betroffen sind neben Satelliten- auch Kabelreceiver, die von den entsprechenden Kabelbetreibern – vor allem jenen, die das analoge UKW-Signal in ihrem Netz mittlerweile abgeschaltet haben – noch bis vor wenigen Monaten als UKW-Nachfolgegeräte an ihre Kunden vertrieben wurden.

Grund: Der Audio-Codec AAC ist im DVB-Standard zwar vorgesehen, für Gerätehersteller aus diversen Gründen (u.a. Lizenzgebühren) aber immer schon nur optional gewesen. Sprich: selbst 2021 durften und dürfen z.B. Kabelradios, die lediglich MP2 beherrschen, nicht aber AAC, als „DVB-C“-konform verkauft werden. Solche Geräte werden aber künftig beim ARD-Hörfunk stumm bleiben.

Ein weiteres, eventuell unterschätztes Problem sind die vielen (auch kleineren) oben bereits erwähnten Kabelnetzbetreiber (und ich spreche hier explizit nicht von Vodafone, Unity & Co.!), die ihre DVB-Umsetzer jetzt erneuern müssen. Dabei handelt es sich oft um lokal organisierte Vereine, die aber ganze Wohnanlagen („Gemeinschaftsantennenanlagen“) mit DVB-C und oft auch noch einem UKW-Signal im Kabel versorgen. Den Austausch der dafür nötigen (leider ziemlich teuren) sogenannten Kopfstellentechnik gegen DVB-S2- und AAC-taugliche Komponenten können sich viele kleine Betreiber (Vereine etc.) oft nicht leisten. Über DVB-C und UKW bleibt der ARD-Hörfunk in solchen Anlagen also vielerorts künftig stumm.

Privatsender, die weiterhin in MPEG-1 Audio Layer II (MP2) ausstrahlen, sind davon nicht betroffen. Hoffentlich verliert die ARD mit der Aktion also nicht am Ende viele Hörer an die Konkurrenz.

Eine interessante Quelle mit weiteren Infos zu den möglichen Auswirkungen der Abschaltung ist diese Seite (inklusive Petition, die die ARD zur Beibehaltung des alten Transponders bewegen sollte, mit – Stand Dezember 2021 – nur 800 von geplanten 10.000 Unterstützern aber wohl ihr Ziel grandios verfehlt hat).

Tatsächlich ist auch die Qualität der AAC-Übertragung nicht immer ebenbürtig, seltenst besser als das bewährte MP2 bei den extrem hohen Bitraten des alten Transponders. Mehrkanalton in AC3, der ebenfalls nach wie vor den De-Facto-Standard darstellt, weil er von allen (AV-)Receivern dekodiert und wiedergegeben werden kann, wird es bis auf eine Ausnahme (NDR Kultur) auf den neuen Transpondern ebenfalls nicht mehr geben. Einige Anstalten wie der Hessische Rundfunk werden mit ihren Kulturwellen künftig die Ausstrahlung von Surround-Programmen vollständig beenden (auch wenn auf der zugehörigen Website von hr2-kultur noch weiter munter damit geworben wird). Einige (z.B. BR-KLASSIK) versuchen, den AAC-Mehrkanalton-Standard zur Anwendung zu bringen, der von einigen Endgeräten zwar unterstützt wird, von einigen aber auch nicht. Im besten Fall transcodiert der DVB-S2-Receiver diesen Ton in ein kompatibles AC3-5.1-Signal und gibt es an den AV-Receiver weiter. Im schlechtesten Fall hört man bei den Surround-Sendungen gar nichts oder nur Mono-Ton.

Mein persönliches Fazit aus der Sache: Ich weiß einfach nicht, ob die ARD sich mit der Aktion tatsächlich einen Gefallen tut. Ein ASTRA-Transponder kostet viel Geld, das ist klar, doch durch die eigentlich bereits viel länger überfällige Abschaltung der SD-Übertragung diverser dritter Fernsehprogramme und geschicktes Umsortieren hätten sich grundsätzlich mehr Transponder einsparen lassen, als der eine, hochkompatible DVB-S-Hörfunktransponder. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass SES ASTRA im Jahr 2021 noch in einer so guten Verhandlungsposition ist, dass die ARD nicht ohne Probleme den Preis signifikant hätte runterverhandeln können. Im Zeitalter des sterbenden Linear-TVs und auch der immer mehr aussterbenden SNG-Übertragungen werden die Satellitenbetreiber noch auf vielen freien Transponderkapazitäten sitzen bleiben, sodass jeder vernünftige Verhandler auf der anderen Seite eigentlich jeden von der ARD gebotenen Preis für den ollen Tp 93 nehmen dürfte statt einer Abschaltung.

Aber wie gesagt – das ist nur meine persönliche Meinung, da steck ich nicht drin. Ich werde dem Transponder 93 mit seinen exzellenten Audioqualitäten von bis zu 320 kbit/s MP2 jedenfalls definitiv die eine oder andere Träne nachweinen.

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Seufz. Liebe ARD Mediathek, ich würde dich ja gerne gern haben, aber…

Lust auf einen Rant zu einem anderen Thema als Corona? You’re Welcome!

Screenshot aus der ARD Mediathek mit der Fehlermeldung "Die MediaCollection konnte nicht validiert werden".
Immer wieder ein Quell der Freude: Die ARD Mediathek.

Liebe ARD, genauer gesagt, liebes ARD Online in Mainz!

Ja, ihr habt mega viel Arbeit in die ARD Mediathek gesteckt in den letzten drei Jahren. Es hat sich vieles verbessert. Allein, dass es jetzt nicht mehr drei verschiedene Mediatheken gibt (Das Erste Mediathek, ARD Mediathek, die Dritten Programme – mit Ausnahme des BR, der ja irgendwie immer noch eine Extrawurst brät) ist löblich. Die Metadaten, die Verschlagwortung, die Suchfunktion, das Design und die Technologie dahinter werden langsam besser.

Aber all das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ARD Mediathek leider immer noch abgrundtief schlecht und unzuverlässig ist! So! Jetzt ist es raus!

Lobt euch bitte nicht für ein Produkt, das zwar besser als ein nicht mehr tragbares Vorgängerprodukt aus den 2000ern ist, aber nach heutigen Maßstäben (YouTube, Netflix) einfach immer noch unfassbar lächerlich ist. Und einfach an so vielen Stellen kaputt, ohne jegliche erkennbare Besserung in den letzten Monaten! Besonders, wenn man sie intensiv nutzt oder dies zumindest beabsichtigt, fällt das an allen Ecken und Enden auf.

Sendungen wie Tatort oder auch Brennpunkt tauchen immer noch drei, vier, fünfmal auf (bei den Dritten und im Ersten, mit und ohne Gebärdensprache, Sendungen im „Ersten“ auch immer noch viel zu häufig zweimal – einmal als Sendemitschnitt vom Ersten, einmal ohne SAW-Logos direkt zugeliefert).

Die Qualität schwankt extrem, von Full HD (mehr ist scheinbar nicht vorgesehen) bis zu ruckelndem Klötzchenbrei.

Immer wieder bleibt die Navigation im Vollbildmodus sichtbar und blendet sich ums Verrecken nicht aus. Egal, wie wild man mit der Maus gestikuliert, den Vollbildmodus verlässt, wieder aktiviert (das ist dann bei mir so ein Punkt wo ich wegschalte).

Weiter: bei „Sendungen A-Z“ fehlt bei jedem dritten Laden die Hälfte der Sendungen unter einem bestimmten Buchstaben. Reload bringt nichts. Ups, das Sandmännchen bringt einen „404 Error“. Weiter gehts, probierst du halt das Video über einen anderen Weg zu finden. Ach, da. Hups, „Die MediaCollection konnte nicht validiert werden“ (WTF?!).

Videos sind erst „ab 01.10.2021, 20:15 verfügbar“, obwohl es längst Dezember ist. Am Fernseher via HbbTV sind wahllos Videos „leider nicht verfügbar“. Die Lautstärkeregelung mit den Systemtasten verhält sich unter Windows immer noch erratisch (einmal mit der Maus auf „Mute“ in der Mediathek geklickt, ist es unmöglich, mit der Windows-Mute-Taste auf der Tastatur wieder zu unmuten, denn die toggelt dann das Windows-Mute und das Mediatheks-Mute gegenläufig. Liebe Developer, hört her: Die Mediathek darf nicht auf diese Tasten reagieren, die sollen nur die Systemlautstärke steuern, schon zig mal gemeldet, was ist denn daran so schwer zu verstehen?!).

Die Navigation ist generell unübersichtlich, es ist nicht immer klar, in welchem View man sich befindet, und auch der „Zurück“-Pfeil links oben macht oft nicht das, was man erwartet. Wenn er überhaupt da ist.

Willkürlich wird bei einigen Sendungen ein Datum angezeigt, bei anderen nicht. Hier zum Beispiel nicht:

Screenshot aus der ARD Mediathek. Zu sehen eine Reihe von Thumbnails, alle nur beschriftet mit "tagesschau von 20:00 Uhr" etc., ohne Datum.

Auf der Suche nach einer tagesschau-Ausgabe von einem bestimmten Datum? Viel Spaß!

Eine sich über zwei Zeilen erstreckende Qualitätsauswahl (ich zitiere: „Automatische Qualität – Niedrige Qualität – Mittlere Qualität – Hohe Qualität – Sehr hohe Qualität – Full HD“ – euer Ernst? „Hohe Qualität – Sehr hohe Qualität – Full HD“? Wenn ihr so viele Qualitätsstufen habt, schreibt doch wenigstens einfach die Auflösung hin, wie bei YouTube, dann weiß man bescheid!) überfordert den Nutzer.

Bei Nutzung im Browser reißt der UX-Flow einfach immer irgendwo ab, weil die ganze Sache in einen Zustand gerät, wo einfach keine Thumbnails mehr laden, Sendungen fehlen, oder, oder. Da hat sich in den letzten 24 Monaten keinen Deut was gebessert!

It – is – a – mess!

Liebe Leute, ernsthaft! Es macht auch 2021 immer noch einfach keinen Spaß, Inhalte bei euch anzuschauen. Niemand von euren anvisierten „jungen Zielgruppen“ wird sich von euch von Instagram, YouTube & Co. freiwillig auf die ARD Mediathek „locken lassen“, so lange es da so, mit Verlaub, sch…recklich ist! Seht das mal ein und repariert in einem ersten Schritt einfach mal alles oben Genannte! Die meisten dieser Fehler sind seit Monaten bekannt!

Und ich wünschte, ich könnte was anderes sagen, denn ich bin ja auf eurer Seite.

So. Habe fertig. ;-)

(Bilder: Symbolbilder ARD Mediathek. Quelle: ardmediathek.de)